Position/Stellungnahme

Stellungnahme des BLL zum Entwurf des Nationalen Aktionsplans zur Prävention von Fehlernährung, Bewegungsmangel, Übergewicht und damit zusammenhängenden Krankheiten

- Der BLL begrüßt nachdrücklich, dass sich die Bundesregierung mit dem Nationalen Aktionsplan für eine Strategie zur Stärkung und Etablierung gesundheitsförderlicher Alltagsstrukturen in den Bereichen Ernährung und Bewegung einsetzt. Die große Bedeutung des Gleichgewichts von Ernährung und Bewegung für einen gesunden Lebensstil muss für den Einzelnen deutlich werden. Der Aktionsplan zeigt weiterhin das Erfordernis, Aktivitäten zu bündeln sowie die Notwendigkeit der wissenschaftlichen Basis und Evaluation von Maßnahmen. Der BLL vermisst in diesem Zusammenhang jedoch die entsprechende Würdigung und Verstärkung der Institution Plattform Ernährung und Bewegung e.V. (peb), die, mitgegründet von der Bundesregierung, seit ihrer Gründung viele im Aktionsplan angesprochenen Wege, konzentriert auf die Zielgruppe Kinder und Jugendliche, beschreitet.

Die Zusammenarbeit der beiden Bundesministerien zur Verbesserung der von vielen Faktoren beeinflussten Ernährungs-, Bewegungs- und Gesundheitssituation sehen wir positiv. Der BLL unterstützt den im Aktionsplan vorgesehenen Weg, die Kooperation auch auf weitere politische Ressorts auszuweiten und ministeriumsübergreifend zusammen zu arbeiten.

Der BLL begrüßt die grundsätzlich ganzheitliche Betrachtung der Ausgangslage im Entwurf zum Nationalen Aktionsplan. Jedoch sollte der Inhalt des Nationalen Aktionsplans strikt wissenschaftsbasiert sein. Wissenschaftlich nicht belegbare Aussagen sollten keinesfalls enthalten sein. Daher haben wir uns erlaubt, auf diesbezüglich kritische Passagen konkret hinzuweisen.

Es erscheint uns außerdem wichtig, in der Ausgangslage auch die positiven Entwicklungen zu berücksichtigen und nicht bei der Darstellung von Problemen und Mängeln stehen zu bleiben. Diese positiven Trends bedürfen im Sinne eines motivations- und nicht verbotsorientierten Vorgehens der Bestätigung durch die Politik.

Den aktuellen Auswertungen der Nationalen Verzehrsstudie II zu Folge, ist für den Nationalen Aktionsplan unter anderem zu berücksichtigen, dass die mittlere Kalorienaufnahme gegenüber früheren Erhebungen deutlich zurückgegangen ist und im Großen und Ganzen den Empfehlungen der DGE für die Energiezufuhr bei niedriger körperlicher Aktivität entspricht. Dies unterstreicht die Bedeutung der körperlichen Aktivität, die nicht nur für den Bereich Übergewicht relevant ist, sondern auch im Hinblick auf die generelle Gesundheits- und Leistungsförderung stärker in den Fokus gerückt werden muss.

Die Nationale Verzehrsstudie II zeigt auch aufgrund ihrer differenzierten Ergebnisse die Notwendigkeit einer zielgruppenspezifischen Herangehensweise, die konkrete Ursachen, z. B. auch mangelnde eigene bzw. familiäre Gesundheitsvorsorge, fehlendes Problembewusstsein etc. berücksichtigen und in konkrete Hilfestellungen umsetzen muss.

Abschließend darf bei allem Engagement, das den Nationalen Aktionsplan auch von staatlicher Seite auszeichnet, nicht vergessen werden, dass die letztendliche Entscheidung über seinen persönlichen Lebensstil, die Frage der Ernährung und das Maß an körperlicher Bewegung der Einzelne eigenverantwortlich trifft und von Seiten der Politik hier lediglich Hilfestellungen gegeben werden können und sollen, ohne die Bürger letztlich zu bevormunden oder zu entmündigen. Dies wäre kontraproduktiv.

Der BLL hat das Eckpunktepapier „Gesunde Ernährung und Bewegung – Schlüssel für mehr Lebensqualität“ der Bundesregierung seinerzeit sehr begrüßt. Auch der Entwicklung des Nationalen Aktionsplans steht er positiv gegenüber.

Die Anmerkungen des BLL lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Ausgangslage umfassend, zutreffend und objektiv darstellen; dies betrifft insbesondere die Aussage „Deutlicher Trend hin zum Übergewicht“ und die Beschreibung des Ursachengeflechts für Übergewicht
  • Eigenverantwortung noch stärker in den Vordergrund rücken
  • Auf weitere Vereinbarungen zur Werbung verzichten; Werbekompetenz stärken
  • Lebensmittelkennzeichnung praktikabel und Information gewinnend einsetzen
  • Trend hin zu Außer-Haus-Verpflegung akzeptieren, Lebensmittel bzw. Convenienceprodukte nicht diskriminieren
  • Rolle von peb stärken und weiter ausbauen
  • Die Vielfalt im Lebensmittelangebot und die Anstrengungen der Wirtschaft anerkennen


Im Einzelnen:

Der Aktionsplan der Bundesregierung hat zum Ziel, einen gesunden Lebensstil als gesellschaftlichen Wert zu verankern. Deshalb können die Aspekte Verhalten und Kultur den Aktionsplan sinnvoll ergänzen. Dazu gehört auch die Etablierung einer Bewegungskultur, ebenso wie die Wertschätzung von Lebensmitteln, Genuss und Essen als gesellschaftliches Moment.

Ausgangslage umfassend, zutreffend und objektiv darstellen

  1. Die Beschreibung der Ausgangslage bildet die Basis des Nationalen Aktionsplans. Sie muss den wissenschaftlichen Konsens abbilden, auf dessen Grundlage Maßnahmen abgestimmt sind. Sie ist die Analyse, die Basis für die Strategie, die Grundlage für Ressourcenverteilung und die Rechtfertigung für notwendige Anstrengungen des Staates, der Zivilgesellschaft, der Wirtschaft, der Familie und des Individuums. Deshalb muss sie exzellent und wissenschaftsbasiert sein und das Zusammenspiel von Ernährung und Bewegung für alle Altersgruppen (auch Senioren) und verschiedene Zielparameter (nicht nur Übergewicht, sondern auch Osteoporose, Bluthochdruck, Lebensqualität etc.) berücksichtigen. Aussagen mit Wertungen wie „oftmals“, „häufig“, „viele“ bedürfen der Konkretisierung und Bezugnahme auf anerkannte Literaturquellen.
  2. Die Aussage: „Es besteht ein deutlicher Trend zu Übergewicht“ ist nicht haltbar.
    Vielmehr befindet sich die Häufigkeit von Übergewicht und Adipositas bei Erwachsenen seit vielen Jahren auf einem relativ hohen Niveau. Mit Blick auf die aktuellen Daten der Nationalen Verzehrsstudie II verläuft der Trend jedoch für die Gesamtbevölkerung eher seitwärts mit möglicherweise sogar positiven Tendenzen bei der Zahl der Übergewichtigen (BMI 25 bis unter 30): Im 1998 veröffentlichten Bundesgesundheitssurvey hatten 67 Prozent der Männer einen BMI von 25 und höher, 10 Jahre später waren es 66,3 Prozent. Bei den Frauen waren es 1998 52,1 Prozent, heute sind es 50,6 Prozent. Dies bedeutet, dass der Anteil der übergewichtigen Erwachsenen stagniert, bei Frauen geringfügig rückläufig ist. Der Anteil der Adipösen (BMI 30 und höher) hat sich im 10-Jahresvergleich bei den Männern um 1,5 Prozentpunkte auf 20,8 Prozent erhöht, bei den Frauen liegt er konstant bei 21,1 Prozent (Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz. 2005, 48(12):1348-56.).
  3. Das selektive Herausgreifen einer Altersgruppe jedenfalls (die der jungen Männer) und der Satzbeginn auf Seite 4 mit dem Begriff „besorgniserregend" ist eine unzutreffende und unangemessene Beschreibung der Prävalenz von Übergewicht. Bei Frauen über 30 sinkt die Zahl der Übergewichtigen in allen Altersgruppen bis zu 8 Prozent ab.

    Im Übrigen belegt die erwähnte KiGGS-Studie, dass 85 Prozent der Kinder und Jugendlichen normalgewichtig sind. Die Studie zeigt zwar die Anzahl Übergewichtiger sowie die Problematik der unzureichenden Bewegung, stellt aber die Ernährungssituation nicht generell als „bedeutendes Problem“ heraus.

    Bei Kindern und Jugendlichen werden in jüngerer Zeit in einigen Bundesländern positive Signale für ein Stagnieren/Rückgang übergewichtiger Erstklässer festgestellt (A. Moss et al.: Prävalenz von Adipositas und Übergewicht bei Einschulkindern). Die Adipositasraten aus den Untersuchungsjahren 2005 und 2006 in Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und im Saarland sind gegenüber den Untersuchungsjahren 2003 und 2004 nicht mehr gestiegen. Die Aussage „Es besteht ein deutlicher Trend zu Übergewicht“ steht nicht im Einklang mit diesen aktuellen Ergebnissen.

  4. Die Aussage „Die Mehrzahl der Bevölkerung schätzt das gesundheitliche Risiko eines ungesunden Lebensstils durch unausgewogene Ernährung und unzureichende Bewegung als gering ein“ ist nicht belegbar und eine nicht zutreffende Ausgangslage.
    Laut Nationaler Verzehrsstudie halten ca. 70 Prozent der Teilnehmer „zu viel und zu einseitig essen“ für riskant. Nur Pestizide, verdorbene Lebensmittel und Hormon-Rückstände rangieren – beeinflusst durch medial geschürte Ängste – auf einem höheren Rang in der Reihenfolge der subjektiven Risikoabschätzung.
  5. Die Auseinandersetzung mit den Ursachen ist wesentlich für einen Nationalen Aktionsplan ebenso wie eine neutrale, wissenschaftlich korrekte Darstellung. Die NVS II liefert mit der Auswertung des Lebensmittelverzehrs und der Nährstoffaufnahme ein aktuelles Bild über die Ernährungssituation. Demnach ist die mittlere Kalorienaufnahme gegenüber früheren Erhebungen deutlich zurückgegangen. Sie entspricht im Großen und Ganzen den Empfehlungen der DGE für die Energiezufuhr bei niedriger körperlicher Aktivität. Bei Frauen und Männern stammen weniger als 10 Prozent der insgesamt aufgenommenen Kalorien aus Süßwaren. Weiterhin enthält die Nationale Verzehrsstudie keine Angaben darüber, wie die Ernährung Übergewichtiger tatsächlich charakterisiert ist und sie hat keine Ursachenfaktoren ausgewertet.
  6. Auf Seite 4 des Entwurfs zum Nationalen Aktionsplan wird Übergewicht letztendlich als Folge von zu fettreichem und zu süßem Essen und fehlender regelmäßiger körperlicher Aktivität dargestellt und neben dem Bewegungsverhalten dem „größeren, überall verfügbaren Angebot an oftmals energiedichten Lebensmitteln und Getränken… etc“ mit eine ursächliche Rolle zugeschrieben. Hier wäre eine neutralere Darstellung wünschenswert, die nicht a priori das Lebensmittelangebot kritisiert, bzw. einzelne Nährstoffen bzw. Lebensmitteln die Ursache zuschreibt. Übergewicht resultiert aus dem Missverhältnis von Kalorienzufuhr gegenüber Kalorienverbrauch. Dabei sind die Experten auch der Auffassung, dass der Rückgang in der körperlichen Aktivität eine Rolle spielt. Übergewichtige Kinder essen jedoch nicht unbedingt mehr süß, d. h. mehr Zucker. Zahlreiche Verzehrserhebungen von Kindern und Erwachsenen haben gezeigt, dass diejenigen, die relativ mehr Zucker als der Durchschnitt konsumierten einen niedrigeren BMI hatten, als diejenigen, die weniger Zucker konsumierten. Der Kohlenhydratverzehr und auch der Zuckerverzehr sind negativ korreliert zum Body-Mass Index, und dies unabhängig von der Form in der Zucker konsumiert wurde, d. h. ob als Getränk oder als Lebensmittel.
    [Eine Auswertung der ersten NVS hatte ergeben, dass Personen mit einem hohen Zuckerverzehr einen geringeren BMI hatten (Schneider R. et al; Ernährungs-Umschau 46:292-29 und 330-335., 1). Auch zeigt die Auswertung der Daten der Health Behaviour in School-Aged Children Study (HBSC) eine negative Korrelation zwischen dem Verzehr von Süßigkeiten und dem BMI: In 31 der 34 untersuchten Länder (91 Prozent) ist die Verzehrshäufigkeit von Süßwaren bei übergewichtigen Kindern niedriger als bei nor-malgewichtigen (Janssen, I. et al, Obesity Reviews 6(2):123-32].
    Insofern ist eine differenzierte Betrachtung der Energiezufuhr notwendig.

    Weiterhin ist generell ein besonderes Augenmerk auf Risikogruppen zu legen mit speziellen Zielgruppen orientierten, grundlegenden Bildungs- und Motivationsmaßnahmen.

  7. Weiter fällt bei der Beschreibung der Ursachen auf, dass externe Faktoren, d. h. „angebotsorientierte“ Faktoren im Bereich Ernährung und Bewegung als ursächlich beschrieben werden; interne Einflüsse, d. h. Barrieren, die den Einzelnen daran hindern, seinen Lebensstil zu ändern, soziologische wie psychologische Gründe sind dagegen nicht berücksichtigt. Viele Studien zeigen, dass die angegebenen Gründe für eine Änderung des Lebensstiles („keine Zeit“, „kein Geld“, „keine Relevanz“) Strategien zur Reduktion kognitiver Dissonanzen sind. Deshalb sollte dieser Punkt angesprochen werden und die Eigenverantwortung (im Kapitel Maßnahmen) gestärkt werden.
  8. Die Bedeutung der körperlichen Aktivität für die Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck und Übergewicht ist überzeugend belegt, ihre Bedeutung für die Prävention von Osteoporose, Erkrankungen des Bewegungs- und Haltungsapparates und einigen Krebserkrankungen sowie ihre Effekte auf die psychische Gesundheit (Stress, Konzentrationsvermögen, u. a.) sind unbestritten, ebenso ihr Beitrag zur Erhaltung der Lebensqualität bei Senioren. Ein eigenes Handlungsfeldsfeld 2.3 widmet sich angemessen der Thematik. Wünschenswert ist, dass die die Beschreibung der Ausgangslage noch deutlicher die herausragende Rolle der Bewegung für die Prävention herausarbeitet. Zur Veröffentlichung der ersten Ergebnisse der HELENA-Studie wurde beeindruckend dargestellt, dass körperliche Inaktivität einen stärkeren Einfluss auf die Gesamtmortalität hat als die Faktoren Rauchen, BMI > 27, Blutdruck über 139 mm Hg und erhöhter Cholesterinspiegel (Vortrag Steven Blair, International Symposium HELENA „Promoting a Healthy European Lifestyle through Exercise and Nutrition in Adolescence“, Granada 2008).
  9. Die Situationsbeschreibung sollte noch umfassender gestaltet werden. Dies bedeutet erstens eine neutrale Gesamtschau über die gesamte Bevölkerung zur Prävalenz von Über- und Untergewicht, Essstörungen sowie Mangelernährung einerseits und zur körperlichen Aktivität andererseits, zweitens die Benennung von Risikogruppen unter Bezugnahme auf soziodemographische Merkmale, die diese Risikogruppen charakterisieren, drittens die Benennung von Gruppen, in denen positive Entwicklungen zu verzeichnen sind. Bislang fokussiert die Ausgangslage überwiegend auf Ernährung und Übergewicht, Bewegungsmangel, Mangelernährung bei Senioren und Essstörungen.
  10. Im Kasten Kapitel 1.4 heißt es, dass die WHO „Übergewicht“ zu den gefährlichsten Risikofaktoren in den Industriestaaten zählt. Dies ist so pauschal nicht haltbar. Ein BMI über 30 lässt keine Aussage im Hinblick auf die Körperzusammensetzung/Muskelmasse/Fettanteil zu und Übergewicht bedeutet nicht zwingend ein erhöhtes gesundheitliches Risiko. Der Nationale Aktionsplan sollte keine Ängste schüren.

Rolle von peb stärken

Die Plattform Ernährung und Bewegung e. V. (peb) ist das erste gesamtgesellschaftliche Bündnis zur Prävention von Übergewicht bei Kindern in Deutschland. Ihre Rolle sollte im Nationalen Aktionsplan noch stärker gewürdigt werden, zumal Bundesregierung und insbesondere das Bundesministerium Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz als Gründungsmitglied den Aufbau von peb selbst mit initiiert hatte. Nachdem peb auf diesem Gebiet etabliert ist und erste Erfolge verzeichnen kann, empfiehlt es sich, diese Arbeit mit Verstärkung fortzusetzen.

Weiterhin sollte peb eine zentrale Rolle bei der Weiterentwicklung des Nationalen Aktionsplanes einnehmen, denn letztendlich wurde die Plattform von Politik, Wirtschaft und den relevanten Verbänden und Organisationen der Zivilgesellschaft dafür geschaffen, das Thema Übergewicht unter Einbeziehung aller Stakeholder anzugehen. peb ist offen für alle gesellschaftlichen Gruppen und ist mit ca. 100 Mitgliedern schon heute Europas größtes Netzwerk in diesem Bereich. Die im Nationalen Aktionsplan benannten Ansätze wurden bereits von peb in vorbildlicher Ausgestaltung in Projekten und Netzwerkarbeit umgesetzt. Viele Ziele sind identisch. Insofern regt der BLL dringlich an, dass peb eine koordinierende Aufgabe in den Bereichen Primärprävention von Übergewicht, Förderung von guter Ernährung, ausreichend Bewegung und einem gesunden Lebensstil im Bereich der Kinder und Jugendlichen und ihren Eltern zukommt.

Vermittlung von Kompetenzen statt Werbebeschränkungen

  1. Das Kapitel 2.2 (Bildung und Information) ist ein zentraler Bestandteil des Aktionsplans. Bildung ist Voraussetzung für Eigenverantwortung. Der Aspekt der Eigenverantwortung und seine fundamentale Bedeutung für das gesellschaftspolitische Verständnis der Bundesrepublik Deutschland muss einleitend in dem Kapitel deutlich thematisiert werden.
  2. Erfahrungen der Vergangenheit zeigen, dass Informationsmaßnahmen oft zu kurz greifen. Die Gründe dafür sind vielfältig: Die relevanten Zielgruppen werden nicht erreicht, die Zielgruppen verstehen die Information nicht, die Information haben keine subjektive Relevanz für die Zielgruppe (Verbraucher wenden Strategien zur Vermeidung kognitiver Dissonanzen an, um Betroffenheit zu reduzieren) oder sie setzen die Information nicht um. Daher unterstützt der BLL eine umfassende Gesundheits- und Verbraucherbildung, die sich auf die Vermittlung von Kompetenzen, d. h. Fähigkeiten zur Problemlösung konzentriert.
  3. Bei der Frage der Information des Verbrauchers spielt selbstverständlich die Lebensmittelkennzeichnung eine Rolle. Jedoch sollte bei der Nährwertkennzeichnung anderen Informationswegen, die es ermöglichen, Informationen zur ausgewogenen Ernährung komplex zu vermitteln und im Zusammenhang erläuternd darstellen können, die größere Bedeutung zu Teil werden. Die Lebensmittelwirtschaft in Deutschland und in der EU hat sich zur Aufgabe gemacht, die Nährwertinformation auszuweiten. Der BLL hat seinen Mitgliedern empfohlen, die so genannten Big Four (Energie, Fett, Eiweiß und Kohlenhydrate) auf allen Lebensmitteln auszuweisen. Zusätzlich empfohlen wird die GDA-Kennzeichnung zu den Kalorien, das heißt, die Angabe des prozentualen Anteils am durchschnittlichen Tagesbedarf. Die Konzentration auf die wesentliche Information des Energiegehalts ist eine echte, – weil kurze, einprägsame und verständliche – Hilfestellung. Dies ist die Basis aller Kennzeichnungsbemühungen; auf ihr bauen Unternehmen und Verbände ihre zum Teil weiter gehenden Systeme auf. Eine geeignete Nährwertkennzeichnung muss an diesen vorgenannten Kriterien gemessen werden. Über 70 Prozent der Verpackungen tragen darüber hinaus einen Hinweis auf weiterführende Informationsangebote. Dieser hohe Anteil sowie weitere zahlreiche Medien, die die Lebensmittelwirtschaft zur Verfügung stellt, belegen das Engagement der Wirtschaft zur Information über Lebensmittel und Ernährung. Eine Anerkennung auch im Nationalen Aktionsplan ist zu wünschen.
  4. Werbung ist Teil unserer Gesellschaft. Werbung dient der Markenentscheidung innerhalb einer Produktgruppe. Der Umgang mit Werbung ist ein Bildungsziel. Deshalb sollte der Schwerpunkt auf den Ausbau der Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen gelegt und Maßnahmen hierzu gefördert werden. Die Wirtschaft selbst hat solche Maßnahmen bereits umgesetzt und ist bereit, ihr Engagement fortzusetzen und solche Wege weiter mit zu unterstützen.
  5. Der Entwurf spricht von einer Vereinbarungen mit der Wirtschaft bezüglich der Wahrnehmung ihrer Verantwortung für Werbung gegenüber Kindern und Jugendlichen. Ziel sei nicht nur der Verzicht von Werbung gegenüber Kindern und Jugendlichen unter 12 Jahren, sondern auch weitere Selbstverpflichtungen über Werbung für ältere Kinder und Jugendliche generell. Der BLL geht davon aus, dass der in Deutschland bestehende Rahmen ausreicht, um eine verantwortliche Bewerbung von Lebensmitteln zu gewährleisten. Jede weitergehende reglementierende Einschränkung der Werbung muss sich auf der Grundlage wissenschaftlicher Daten bewegen. Tragfähige Belege, dass Werbung zu einem nachteiligen Verzehrsverhalten führt, fehlen, ebenso gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass – umgekehrt – Werbeverbote einen positiven Einfluss auf die Prävention haben. Auch ist anzuerkennen, dass der Verzehr bestimmter Le-bensmittel nicht mit dem Auftreten von Übergewicht assoziiert ist. Ferner verweisen wir auf die Ergebnisse der von der Bundesregierung durchgeführten Sofia Studie, die aufzeigt, dass sich Lebensmittelwerbung selten an Kinder richtet und kaum Verstöße gegen die Werberegel Nr. 5 des Deutschen Werberats (Verbot der direkten Aufforderung zu Kauf oder Konsum) aufweist.

    Abschließend weisen wir noch einmal darauf hin, dass es in Deutschland, ebenso wie auf europäischer und internationaler Ebene, neben Gesetzen bereits zahlreiche Selbstverpflichtungen zum verantwortlichen Umgang mit Werbung gibt. Die Ausarbeitung eines weiteren nationalen Kodexes zum Bereich Werbung erscheint insofern obsolet. Ein verstärkter Dialog über Möglichkeiten der Aufklärung über Hintergrund und Umgang mit Werbung ist jedoch zu begrüßen.


Trend hin zur Außer-Haus-Verpflegung akzeptieren und positiv begleiten

  1. Der Trend hin zur Außer-Haus-Verpflegung ist Begleiterscheinung eines gesellschaftlichen Wandels hin zur Berufstätigkeit von Frauen und Männern, Ganztagsschulen und einer Arbeitswelt, die auch von Reisetätigkeiten geprägt ist. Diesem Trend kann (und muss) nicht entgegengewirkt werden. Ernährung zu Hause ist nicht als besser zu bewerten als Ernährung Außer-Haus. Ebenso ist in die Schule „Mitgebrachtes“ nicht unmittelbar geeigneter als in der Schule Erworbenes. Der BLL befürwortet daher, wenn die Bundesregierung diesem Trend positiv in der Formulierung des Nationalen Aktionsplans gegenübersteht und nicht der Eindruck erweckt wird, Außer-Haus-Verpflegung werde negativ bewertet.
  2. Es gibt von Unternehmensseite hervorragende Angebote für die Gemeinschaftsverpflegung. Der BLL legt Wert darauf, dies in den Nationalen Aktionsplan einfließen zu lassen und nicht den Eindruck zu erwecken, dass ein solches Angebot nicht existiere.
  3. Das Speisen- und Lebensmittelangebot der Gemeinschaftsverpflegung ist groß und heterogen. Bemerkenswerte Unterschiede sind vor allem in Abhängigkeit von den zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln (Preiszahlungsbereitschaft bzw. Tagessätze im Heim-/Klinikbereich) festzustellen. Auch zeigt eine repräsentative Untersuchung zur Schulverpflegung in deutschen Ganztagsschulen (CMA/ZMP), dass die Schulverpflegung besser als ihr Ruf ist und positive Ansätze vorhanden sind. Diese Entwicklungen werden weiter voranschreiten – insbesondere dann, wenn Verbraucher das Angebot annehmen, Arbeitgeber (auch Bund und die Länder) entsprechende Anbieter auswählen und der Wettbewerb interessante Betätigungsfelder entdeckt. Die Problematik nicht adäquater Außer-Haus-Verpflegung ist daher nicht durch Aufforderungen an Hersteller zu lösen, ihr Angebot zu verändern. Vielmehr bedarf es sachkundiger Entscheidungen auf der Ebene der Schulverpflegung aber auch im Klinik- und Pflegebereich und der Bereitschaft für den Einsatz entsprechender Mittel sowie der Unterstützung finanziell benachteiligter Gruppen.
  4. Mit Blick auf die Auswahl der Lebensmittel für die Schulverpflegung befürwortet der BLL, ein vielfältiges Angebot bereit zuhalten, das eine ausgewogene Ernährung erlaubt und bestimmte Lebensmittelgruppen nicht per se ausschließt. Schule darf sich der Lebenswirklichkeit nicht verschließen. Schüler müssen auch in der praktischen Anwendung eine bewusste Auswahl lernen.
  5. Die Anbieter von Gemeinschaftsverpflegung sind Experten auf ihrem Gebiet. Sie stehen zur Beratung der Institutionen und als Seminaranbieter im Hinblick auf Management, Weiterbildung und Angebot stets zur Verfügung.
  6. Die Lebensmittelwirtschaft regt an, im Hinblick auf die Angebote und Nachfrage in der Gemeinschaftsverpflegung eine entsprechende Arbeitsgruppe mit Beteiligung der Industrie zu bilden und ihre Expertise in die Gesprächskreise zu den Qualitätskriterien in der Gemeinschaftsverpflegung verstärkt einzubringen.

Die Eignung des Lebensmittelangebots für eine ausgewogene Ernährung

„Insbesondere bei der Rezepturanpassung von Lebensmitteln liegt noch viel Entwicklungspotenzial“ heißt es im Kapitel 2.5 (Forschungsbedarf). Hierzu muss realisiert werden, dass die Lebensmittelwirtschaft in Forschung und Entwicklung von Rezepturen hoch engagiert ist, die Entwicklungspotentiale eruiert und Mögliches umsetzt.

Wir verweisen auf die von dem BLL in Auftrag gegebenen GfK-Studie „Produktvielfalt und Information – das Lebensmittelangebot genau betrachtet“. Die Ergebnisse dieser repräsentativen GfK-Studie zur Vielseitigkeit des Lebensmittelangebots belegen, dass der Markt quer durch alle Warengruppen bereits eine Vielzahl bedarfsangepasster Produkte in den verschiedenen Produktkategorien anbietet – Tendenz steigend.

Der Änderung der Zusammensetzung von Lebensmitteln und damit ihres Gehaltes an Energie bzw. bestimmten Nährstoffen sind jedoch Grenzen gesetzt; nicht jede „Reformulierung“ ist technologisch möglich, nicht jede wird vom Verbraucher angenommen.

Die von der GfK am Markt gefundenen Ergebnisse lassen Forderungen nach mehr „reformulierten“ Lebensmitteln unbegründet erscheinen. Auch muss darauf hingewiesen werden, dass sich Übergewicht mit bedarfsangepassten Produkten nicht verhindern lässt, es kann eine energiebewusste Ernährung erleichtern, aber nur im Rahmen eines insgesamt gesunden Lebensstils, zu dem neben dem Ernährungsverhalten vor allem auch ausreichend Bewegung gehört.

Einbeziehung aller gesellschaftlichen Kräfte

Die Lebensmittelwirtschaft bietet ihre Expertise bei der Umsetzung und Weiterentwicklung des Nationalen Aktionsplanes an. Eine Beteiligung in den entsprechenden Arbeits- und Steuerungsgruppen ist insofern wünschenswert.

5. August 2008

Die Stellungnahme finden Sie hier als PDF-Dokument zum Download:
BLL-Stellungnahme zum Entwurf des Nationalen Aktionsplans zur Prävention von Fehlernährung, Bewegungs-mangel, Übergewicht und damit zusammenhängenden Krankheiten (5. August 2008)