Position/Stellungnahme

Hinweise zum Übergang auf neugefasste Leitsätze des Deutschen Lebensmittelbuchs

- Leitsätze des Deutschen Lebensmittelbuchs (DLMB) sind keine Rechtsnormen und daher auch nicht rechtsverbindlich. Sie dienen als Auslegungshilfe, die jedoch aufgrund ihrer beschreibenden Verkehrsauffassung eine wichtige Orientierungshilfe für Hersteller, Handel, Importeure, Verbraucher, Überwachung und Gerichte darstellt.

„Die Deutsche Lebensmittelbuch-Kommission (Kommission, DLMBK) kann in besonderen Fällen feststellen, dass sich noch keine allgemein anerkannte Verkehrsauffassung gebildet oder dass sich die Verkehrsauffassung in eine unerwünschte Richtung entwickelt hat. In diesen besonderen Fällen kann die Kommission auch prägend tätig werden.“ (Präambel der DLMBK-Geschäftsordnung vom 20.6.2016)

Prägende Wirkung der Leitsätze
Bei Neufassung von Leitsätzen spielt die Frage nach dem Übergang bislang keine Rolle, da sie in der Regel als antizipierte Sachverständigengut-achten und gemäß den Vorgaben des § 15 Absatz 1 LFGB die bestehenden Verkehrsauffassungen und die am Markt vorgefundenen Sachverhalte beschreiben.

Die Frage des Anwendungszeitpunktes bzw. die eines angemessenen Übergangs stellt sich jedoch zukünftig, aufgrund der grundsätzlichen Möglichkeit der Deutschen Lebensmittelbuchkommission (DLMBK), Leitsätze mit prägenden Festlegungen zu beschließen und zu veröffentlichen (siehe Präambel der neuen DLMBK-Geschäftsordnung).

Leitsätze können folglich zum Zeitpunkt der Veröffentlichung auch einzelne Beschreibungen enthalten, die nicht der am Markt aktuell bestehenden Verkehrsauffassung entsprechen. Grundsätzlich gilt auch für prägende Leitsätze, dass sie nicht als Vorgaben mit verbindlich verhaltenslenkendem, regelndem Charakter zu verstehen sind, sondern als Sachverständigengutachten. Im Einzelfall kann von den Leitsätzen, ob beschreibend oder ausnahmsweise auch gestaltend, abgewichen werden (siehe hierzu: „Hinweise für die Anwendung der Leitsätze des Deutschen Lebensmittelbuches“).

In der Regel besteht bei Anbietern jedoch der Wunsch, Produkte und Herstellungsprozesse leitsatzkonform auszugestalten und diese ggf. der prägenden Wirkung neuer Leitsätze zu unterwerfen, selbst wenn die Erzeugnisse oder deren Bezeichnungen der bis dahin bestehenden Verkehrsauffassung entsprechen. In diesen Fällen gilt es zu klären, ab wann eine neue Verkehrsauffassung im Lebensmittelverkehr wirksam wird. Weder die Leitsätze selbst noch die veröffentlichten Hinweise zu den Leitsätzen treffen bislang hierzu Aussagen.

Aufgrund der übergeordneten Bedeutung dieser Frage erfolgen hiermit Hinweise insbesondere für die Anwenderpraxis. Ziel ist es, neutrale und sachdienliche Informationen im Sinne eines praktikablen Übergangs und auch im Hinblick auf den maßvollen Vollzug zu geben, um damit Verunsicherung vorzubeugen.

Angemessener Übergang
Das Erfordernis von Übergangszeiträumen zur Umstellung von Produkten auf neugefasste Leitsätze stellt sich insbesondere auch aufgrund der bestehenden Vertraulichkeit bis zur Bekanntmachung einer finalen Version neuer Leitsätze im Bundesanzeiger.

Die Beratungen der DLMBK finden zwar mit Vertretern der Verkehrskreise und einschlägigen Sachkundigen der Wirtschaft statt, jedoch darf nach Geschäftsordnung der DLMBK keine Vorinformation einer betroffenen Branche nach der Phase des sog. Beteiligungsverfahrens erfolgen. Eine sofortige Umsetzung zum Veröffentlichungszeitpunkt ist insofern nicht möglich, weshalb der Anwenderpraxis auch aus diesen formalen Gründen ein angemessener Übergangszeitraum zu gewähren ist.

Gesetzliche Übergangsfristen könnten Anhaltspunkte für angemessene Übergangsprocedere bieten, da diese in der Regel die Erfordernisse der Praxis berücksichtigen. Eine allgemeingültige Regel für neue Leitsätze lässt sich daraus jedoch nicht ableiten. Es kann bei Leitsatzänderungen keine pauschale Behandlung geben, da die Art der Neuerungen, ob es sich z.B. um Kennzeichnungselemente oder Herstellungsverfahren handelt, sowie die Um-stände des Einzelfalles in die jeweilige Beurteilung einzubeziehen sind.

Ein ausreichendes Zeitfenster bis zur Berücksichtigung von Neuregelungen mit prägendem Charakter ist besonders dann erforderlich, wenn diese die Produktbezeichnungen oder ergänzende Kenntlichmachungen der betroffenen Produkte und folglich Umstellungen der Verpackungen betreffen.

Relevant ist darüber hinaus die Abgabeform und Art der Produkte; bei offener Ware oder Frischware mit kurzer Haltbarkeit ist der Umstellungszeitraum anders einzuschätzen als bei langlebigen fertigverpackten Lebensmitteln mit entsprechendem Mindesthaltbarkeitsdatum, die adäquate, d.h. deutlich längere Vorlauf- und Abverkaufszeiträume am Markt erfordern. Hier ist im Einzelfall der Zeitbedarf für Verpackungsänderungen bzw. Etikettenumgestaltung und die Bevorratung mit Verpackungsmaterial zu berücksichtigen.

Üblich ist, dass fertig gekennzeichnetes bzw. bereits bedrucktes Verpackungsmaterial in den Betrieben für längere Produktionsphasen vorgeplant wird, weshalb es erforderlich ist, dieses Verpackungsmaterial wie die verpackten Lebensmittel zu behandeln und auch dafür angemessene Aufbrauchfristen zu gewähren. Diese Vorgehensweise bei der Umstellung ist auch aus Gründen der Nachhaltigkeit und zur Vermeidung von Abfällen gerechtfertigt.

Bei nicht bezeichnungsrelevanten Änderungen sind in die Bestimmung der Angemessenheit u. a. folgende Faktoren einzubeziehen: Es ist zu differenzieren, ob es sich dabei um einen technologischen Eingriff handelt, d. h. ob Prozessparameter oder die Zusammensetzung und Beschaffenheit von Rohstoffen betroffen sind. Dies wirkt sich in der Lieferkette jeweils unter-schiedlich auf den Zeitbedarf aus.

Insofern sind v. a. die praktischen Gegebenheiten und jeweils limitierenden Kriterien auf einzelbetrieblicher Ebene im Hinblick auf die Umstellung zu berücksichtigen, um die tatsächlich zeitlichen Erfordernisse zu beurteilen. Sollten technische, organisatorische oder sonstige Gründe einen längeren Übergangszeitraum erforderlich machen, ist den Unternehmen zu empfehlen, dies den Überwachungsbehörden gegenüber plausibel darzulegen.

Fazit
Die Frage nach einem Übergangszeitraum nach Veröffentlichung neugefasster Leitsätze wird sich zukünftig stellen, da Leitsätzen bedingt auch prägende Funktion bei der Beschreibung der Verkehrsauffassung zukommen kann. Pauschale Fristvorgaben sind nicht möglich und aufgrund der unterschiedlichen Fallgestaltungen nicht zwingend erforderlich.

Von allen Beteiligten ist eine angemessene Vorgehensweise zu erwarten, die einerseits eine möglichst zeitnahe Umsetzung zum Ziel hat, um ggf. Beanstandungen zu vermeiden, andererseits maßvoll der Praxis sowie Nachhaltigkeitsaspekten Rechnung trägt. Der individuell erforderliche Aufwand und die Herstellungspraxis des Unternehmens müssen bei den Erwartungen berücksichtigt und in die Ermessensentscheidungen in der Lieferkette sowie bei den Überwachungsbehörden einbezogen werden.