Pressemitteilung

BLL Stellungnahme zu Acrylamid

Bonn, - Am 24.4.2002 informierte die Schwedische Behörde für Lebensmittelsicherheit in einer Pressemitteilung die Öffentlichkeit über den Nachweis von Acrylamid in verschiedenen Lebensmitteln. Diese Funde werden von allen Beteiligten sehr ernst genommen. „Acrylamid“ ist eine Problematik, die von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft gleichermaßen Anstrengungen erfordert.

Nach bekannt werden der Forschungsergebnisse hat der BLL umgehend mit Mitgliedern und Wissenschaftlichem Beirat Beratungen aufgenommen und mit der Bundesregierung eine unverzügliche Befassung auf wissenschaftlicher Ebene vereinbart. Der BLL begrüßt ausdrücklich die schnelle Reaktion des Bundesinstituts für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV), das in einem Gespräch am 14.5.2002 die behördliche Koordination der Problematik übernommen hat; insbesondere bei der Entwicklung einer geeigneten Analytik koordinierend zu helfen. Anlässlich eines Informationsaustausches zur Acrylamidanalytik am 19.6.2002 im BgVV wurde die Durchführung eines Proficiency-Tests beschlossen. Die Auswertung des Tests wird für September erwartet. Darüber hinaus werden auch auf europäischer und internationaler Ebene verschiedene Ringversuche durchgeführt, um möglichst bald eine zuverlässige Analytik von Acrylamid in Lebensmitteln vorweisen zu können.,

Sicher ist, dass Acrylamid keine Kontamination von außen ist, sondern während der Herstellung kohlenhydratreicher Lebensmittel unter hohen Temperaturen gebildet wird. Die Thematik betrifft folglich nicht nur die gewerbliche Produktion, sondern ebenso die haushaltsmäßige Zubereitung. Das hat auch eine Veröffentlichung des Schweizer Bundesamtes für Gesundheit vom 13.6.2002 deutlich gemacht, in der darauf hingewiesen wurde, dass in der haushaltsmäßigen Zubereitung z.T. hohe Acrylamidgehalte nachgewiesen wurden.Es ist davon auszugehen, dass Acrylamid seit jeher in der Menschheitsgeschichte bei der Zubereitung entsprechender Lebensmittel unter hohen Temperaturen eine Rolle gespielt hat.

Derzeit bedürfen vor allem vier Komplexe der wissenschaftlichen Klärung:

  1. Tatsächliche Belastungen welcher Lebensmittel
  2. Verlässliche Analysenmethoden
  3. Entstehen von Acrylamid im Herstellungsprozess sowie ggf. mögliche Veränderungen in den Prozessen, um die Entstehung zu unterdrücken
  4. Mögliche toxikologische Belastung des Menschen.

Vom 25.-27.6.2002 fand ein Expertentreffen der WHO statt, auf dem ein mögliches Gesundheitsrisiko durch Acrylamid diskutiert wurde. Auch hier wurde deutlich, dass eine abschließende Bewertung erst möglich ist, wenn Fragen zur Entstehung von Acrylamid, zur Toxizität und Belastung von Lebensmitteln beantwortet werden können.

Insbesondere die FDA machte im Anschluss an das Expertentreffen der WHO deutlich, dass derzeit keine Notwendigkeit für die Verbraucher bestehe, grundsätzlich ihre Ernährung umzustellen, wenn sie sich ausgewogen und vielseitig ernähren. Dies wurde auch von der englischen „Food Standards Agency“ (FSA) wiederholt erklärt, ebenso hat sich das Schweizer Bundesamt für Gesundheit geäußert. Die Stellungnahme des BgVV vom 4.6.2002 „Einfluss der Ernährung auf die Aufnahme von Acrylamid“ legt dagegen in unwissenschaftlicher Weise ein Szenario zugrunde, das angesichts der selbst eingeräumten „unzureichenden Datenlage“ auf theoretischen Annahmen beruht. Diese Äußerung ist nicht nur nicht hilfreich, sie gefährdet vielmehr die notwendige systematisch/wissenschaftliche Vorgehensweise.

Der Ausschuss für Lebensmittel der EU-Kommission (SCF) veröffentlichte am 3.7.2002 eine Stellungnahme zu Acrylamid in Lebensmitteln. Der Ausschuss sieht sich aufgrund der unzureichenden Daten derzeit nicht in der Lage, das bestehende Risiko durch Acrylamid in Lebensmitteln abschließend zu bewerten. Gleichzeitig schließt sich der Ausschuss der Stellungnahme der FAO/WHO an, in der deutlich gemacht wurde, dass noch erheblicher Forschungsbedarf besteht, bis alle relevanten Fragen zu Acrylamid beantwortet werden können.

Die Lebensmittelwirtschaft unternimmt gemeinsam mit Wissenschaft und Behörden große Anstrengungen, um möglichst rasch die ungeklärten Fragen zu lösen. Es gibt mehrere Initiativen für Forschungsvorhaben, u.a. zur Aufklärung des Bildungsmechanismus. Die deutschen Chips-Hersteller haben bereits erhebliche Investitionen getätigt, um in den Bereichen „Analytik“, „Technologie“ und „Grundlagenforschung“ zu gesicherten Ergebnissen zu kommen. Bereits jetzt konnten die Acrylamidgehalte in einigen Kartoffelverarbeitungserzeugnissen durch eine Senkung der Frittiertemperatur bis an die Grenzen der technologischen Pro-zessbeherrschbarkeit um etwa 10 % verringert werden.

Am 14.8.2002 empfahl das BgVV in einer Pressemitteilung die Einführung eines sogenannten „Aktionswertes“ für den Acrylamidgehalt in Lebensmitteln. Einem solchen Wert steht die Lebensmittelwirtschaft sehr kritisch gegenüber, zumal das BgVV selbst eingestehen muss, dass derzeit keine wissenschaftlich fundierten Höchstmengen für Acrylamid in Lebensmitteln festgesetzt werden können. Ein Wert, der toxikologisch nicht begründbar ist, der Verzehrsmengen außer Acht lässt und die Aufnahme von Acrylamid durch die häusliche Zubereitung nicht berücksichtigt, trägt nicht zu einer drastischen Reduzierung der Acrylamid-Aufnahme durch Lebensmittel bei.

Auf einer Informationsveranstaltung am 29.8.2002 im BgVV wurde dieser Aktionswert dahingehend konkretisiert, dass er lediglich als „Signalwert“ verwendet wird. Ein solcher Wert soll der stufenweisen Minimierung der unerwünschten Gehalte von Acrylamid in bestimmten Lebensmitteln dienen. Die Ausrichtung der Minimierungsbestrebungen an einem Signalwert erfolgt vor dem Hintergrund, dass auf absehbare Zeit weder die Bildung von Acrylamid vollständig vermieden werden kann, noch Grenzwerte toxikologisch begründbar und technologisch umsetzbar sein werden.

Aus den einzelnen Produktgruppen werden jeweils die 10 % der Erzeugnisse identifiziert, die am stärksten belastet sind. Der unterste Wert dieser 10 % gilt dann als "Signalwert". In diesen Fällen nimmt die Behörde Kontakt mit dem Hersteller auf, um gemeinsam zu prüfen, ob und ggf. durch welche Änderung der Rezeptur oder Prozessschritte eine Absenkung der Acrylamid-Gehalte erreicht werden kann.

Die Lebensmittelwirtschaft wird mit Nachdruck auch weiterhin alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, damit das ernst zu nehmende Problem „Acrylamid“ die gebotene sachliche Behandlung erfährt, um in Hinblick auf den vorbeugenden Gesundheitsschutz ohne Zeitverzögerung zu wissenschaftlich fundierten Ergebnissen zu gelangen.

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